Leitung des Revisionsamtes in einer Dekade des Umbruchs - ein subjektiver Rückblick

von Ulrich Uebele, Leiter des Frankfurter Revisionsamts von 1999 bis 2010

Vorbemerkung

Magistrat und Stadtverordnetenversammlung haben dem Verfasser Anfang 1999 die Stelle des Leiters des Revisionsamtes der Stadt Frankfurt a. M. übertragen. Mit meinem Eintritt in die Freizeitphase der Altersteilzeit endete diese Aufgabe im Mai 2010.

Im Folgenden werden ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige wichtige Entwicklungen in der Struktur und der Arbeit des Amtes im genannten Zeitraum dargestellt. Dies geschieht aus meiner Erinnerung und ohne Dokumentenrecherche. Ich hoffe, dass mir die Leserinnen und Leser meine Subjektivität nachsehen.

  • Personal, Struktur, Regelungsgrundlagen

    Mit der Übernahme der Amtsleitung sah ich mich mit der Aufgabe konfrontiert, neue Räumlichkeiten zu finden. Für mich hatte eine gewisse „Römer-Nähe“ Priorität. Dieses Ziel konnte an prominenter Stelle realisiert werden, wobei die räumliche Trennung zur technischen Prüfung in Kauf genommen werden musste, aber letztlich wegen der direkten Nachbarschaft unerheblich war. Gegen Ende meiner Amtszeit zeichnete sich ein neuerlicher Umzug ab, wofür abermals ein Raumprogramm zu entwickeln war.

    Von meinem Vorgänger in der Amtsleitung, Herrn Peter Neun, hatte ich ein personell gut ausgestattetes Amt übernommen, das im Rahmen der Hessischen Gemeindeordnung HGO ein breites Aufgabenfeld übertragen bekam. Andere Prüfungsämter schauten damals durchaus „neidisch“ nach Frankfurt.

    Dennoch war es aus meiner Sicht notwendig, Personalkompetenz an die anstehenden Veränderungen der Verwaltungs- und Haushaltsstrukturen anzupassen. Dem diente eine erhebliche Ausweitung der jährlichen Fortbildungsmittel sowie die Veranstaltung von Lehrgängen zum neuen Haushaltsrecht und zur Anwendung angepasster Prüfungsmethoden. Mit Umstellung auf die Doppik wurde gezielt bei Neueinstellungen auf betriebswirtschaftliche und ggf. auch wirtschaftsprüferische Kompetenzen geachtet. In der Regel ist es mit Unterstützung des Dezernates der Frau Oberbürgermeisterin gelungen, Ausnahmen von allfälligen Wiederbesetzungssperren zu erwirken. Hilfreich erwies sich, dass das Amt eine nun direkt bei der Amtsleitung angesiedelte eigene Verwaltungseinheit behalten durfte.

    Um die Aufgabenbeschreibung des Amtes zu schärfen, hielt ich es für erforderlich, die vom Magistrat zu beschließende Revisionsordnung zu überarbeiten und präzise auf die gesetzlichen Grundlagen der HGO zu beziehen. Der gesetzliche Spielraum wurde so im Interesse einer breiteren Prüfungskompetenz über alle Facetten der kommunalen Tätigkeit ausgeschöpft. Das betrifft z. B. die Unterscheidung zwischen der reinen Betätigungsprüfung und der Prüfung in den kommunalen Ausgründungen selbst.

    Die Arbeit an den Ordnungsgrundlagen des Amtes setzte sich fort in der Entwicklung eines Handbuches für die Prüfungstätigkeit des Revisionsamtes, von der Formulierung des Selbstverständnisses des Amtes und seiner Prüferinnen und Prüfer bis zur Standardisierung der Abfassung der Prüfungsergebnisse.

    Wichtig für die inhaltliche Steuerung des Prüfgeschehens war mir die Installation einer datengestützten Prüfplanung, die ausgehend von einer Risikoanalyse die jährlichen Prüfungsfelder und -aufgaben und den vermutlichen Prüfaufwand definiert. Die darauf bezogenen Sachstandsberichte und die von der Amtsleitung angesetzten Quartalsgespräche bildeten die unterjährigen Erfolgskontrollen. Dies klingt vielleicht dogmatisch und starr, aber jeder weiß, dass es genügend tagesaktuelle Anforderungen gibt, die Planabweichungen notwendig machen. Dennoch schuf diese „atmende“ Prüfplanung die Grundlage für Transparenz und Nachweis des Prüfaufwandes.

    Ein gewichtiger Einschnitt in die organisatorische und personelle Struktur des Amtes war die magistratsinterne Debatte um die Frankfurter Besonderheit der dezernatsbezogenen Innenprüfung. Letztlich folgte der Magistrat dem vom Leiter des Personal- und Organisationsamtes und mir gemeinsam eingebrachten Vorschlag, die Innenprüfung als – erstmals von einer Leiterin geführten - Abteilung in das Revisionsamt zu integrieren, ohne den Dezernaten das Recht zur Bestimmung von Prüfaufgaben zu nehmen. Nach meiner Einschätzung war das ein guter Beitrag zur Effektivierung und Standardisierung der Innenprüfung.

    Ein gewichtiges Feld der Prüfung ist – leider - immer wieder, die Nachverfolgung des Verdachtes doloser Handlungen. Selbstverständlich ist es erstrebenswert, durch Prüfung und Handlungsvorschläge präventiv zu wirken. Für beide Aufgaben hielt ich es für sinnvoll, spezielle Prüferkompetenzen zu schaffen, die auch mit einschlägigen datengestützten Prüftechniken vertraut sind, die geeignet sind, Datenauffälligkeiten zu filtern.

    Eine weitere bedeutende Prüfaufgabe, deren Erfüllung durch speziell ausgebildetes Prüfpersonal und gesonderte Prüftools aus meiner Sicht sehr wichtig war, war die Prüfung ausgaben- und einnahmewirksamer IT-Verfahren.

    Diese Aufgabe genau zu definieren und den Gehalt einer verantwortungsvollen Freigabeempfehlung zu verdeutlichen, bedurfte intensiver Diskussionen auf übergeordneter Ebene im Kreis der Rechnungsprüfungsämter und im jeweiligen speziellen Anwendungsfall. Die hierdurch geschaffene Kompetenz konnte auch für die Prüfung von Software für Dritte gegen Entgelt genutzt werden.

    Zeitenwende im Haushaltswesen

    In die Dekade meiner Amtszeit fielen grundlegende Umstellungen in der Steuerung der Verwaltung, im Haushaltswesen und in der Rechnungslegung. Es ging um die bundesweit etwas ungleichzeitige Aufgabe der Kameralistik und die Einführung der Doppik auf kommunaler Ebene. Dies alles auch vor dem Hintergrund der immerwährenden Diskussionen und Richtungsentscheidungen um Optimierung der Verwaltungsprozesse, Hebung von Einsparpotentialen, Haushaltssperren einerseits und Konjunkturprogrammen andererseits.

    Mit positiver Erinnerung verbunden ist die Arbeit der magistratsinternen Reformkommission unter Federführung des Stadtkämmerers, an deren Beratungen ich mitwirken durfte. Zwiespältig ist hingegen die Erinnerung an zahlreiche Consulting-Projekte, bei denen überwiegend junge Beraterinnen und Berater großer Consulting-Companies gestandenen Verwaltungsleuten beizubringen versuchten, wie sie künftig ihre „Produkte“ zu erbringen hätten. An der Verhältnismäßigkeit von Input und Output etlicher dieser Reformprojekte durfte mit Recht gezweifelt werden.

    Ungeachtet dessen war der Kraftakt richtig, die Einführung der kaufmännischen Buchführung und der sie tragenden Software vorzubereiten und zu implementieren. Im Vorgriff auf spätere Prüfungstätigkeit war es angebracht, dass die Revision sich frühzeitig in die Projektbegleitung einbringt, ohne sich dadurch völlig für die spätere, eigentliche Prüfungstätigkeit zu binden. Ein schönes Beispiel für den berühmten Spagat zwischen Beratung und Prüfung.

    Für mich stand von vornherein fest, dass die Prüfung von Eröffnungsbilanzen, der Jahresabschlüsse und der später folgenden Konzernbilanzen in Frankfurt am Main nicht, wie andernorts teilweise üblich, auf Wirtschaftsprüfungsgesellschaften übertragen wurde, sondern in Eigenregie mit eigenem, vorher durch entsprechende Stellenbesetzungen und Fortbildungskurse verstärktem Know-How zu bewältigen ist. Ich denke, dass dies überzeugend gelungen ist. Dafür spricht, dass unsere nach Umfang und Inhalt nicht unerheblichen Prüfungsfeststellungen zum Großteil anerkannt wurden. Vieles war im Ergebnis mit dem Finanzdezernat unstreitig. Ich erinnere mich allerdings noch gut, dass sich um einige Prüfungsfeststellungen richtig „zähe“ Auseinandersetzungen ergaben – vornehmlich die Diskussion zur richtigen Bewertung der Grundstücke für den Gemeinbedarf und der Waldflächen sowie zu den Pensionsrückstellungen.

    Ich hoffe, dass sich die in dieser Zeit mit großem prüferischem Engagement und anspruchsvollem redaktionellem Aufwand erstellten, dem Magistrat und der Stadtverordneten-Versammlung vorgelegten Berichte inhaltlich und formal auch im Rückblick Bestand haben.

    Prüfungen mit Brisanz

    Es liegt in der Natur der Sache, dass Prüfungsergebnisse beim Adressaten nicht immer auf wohlwollende Zustimmung oder schmallippige Kenntnisnahme stoßen, sondern auch auf mehr oder weniger vehemente Ablehnung.

    So erinnere ich mich an unsere Forderung auf deutliche Abwertung von durch die Kämmerei erworbenen Finanztiteln aufgrund ihrer anhaltend negativen Kursentwicklung, an die kritische Bewertung von Kredit- bzw. Zinsderivaten in der Spanne zwischen sinnvoller Absicherung und riskanter Wette oder an die immer etwas heikle Prüfung der ordnungsgemäßen Verwendung der den Fraktionen in der Stadtverordneten-Versammlung zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel.

    In anderer Hinsicht konfliktträchtig erwiesen sich häufig auch technische Prüfungen zu städtischen Bauvorhaben, die nach unserer Auffassung oft „sechsspännig“ geplant waren und damit den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nicht entsprachen. Aber wenn die Fachplanungen Ausdruck expliziten politischen Gestaltungswillens waren, so erwiesen sich unsere Feststellungen oft in den Wind gesprochen. In solchen Situationen hätte ich mir doch gewünscht, auch in unserer Stadt gäbe es - wie in anderen Städten - einen Rechnungsprüfungsausschuss, so dass eine direkte parlamentarische Erörterung unserer Positionen auf die Tagesordnung gekommen wäre.

    Die aus meiner Sicht gravierendste Diskrepanz mit Magistrat und Stadtverordneten-Versammlung ergab sich bei der Beurteilung der Baumaßnahmen, die in Form der „Public-Private-Partnership“ (PPP oder auch ÖPP) realisiert werden sollten. Ausgehend von der allseits anerkannten Notwendigkeit, diese Realisierungsform nur dann gegenüber der Eigenregie vorziehen zu können, wenn eine vergleichende Wirtschaftlichkeitsberechnung ihre Vorteilhaftigkeit erweist, ergab sich an drei bzw. vier Projekten, dass unsere Überprüfung die durch einschlägig tätige externe Gutachter ermittelten Werte nicht bestätigten. Diese Wertberechnungen und die Überprüfung ihrer Parameter waren sehr aufwändig und komplex. Wir konnten uns mit unseren fundierten Einwänden nicht durchsetzen, wobei mir bekannt war, dass auch der Bundesrechnungshof und andere RPAs entsprechende Beurteilungen auf ihren Ebenen vornahmen. Mir scheint allerdings, dass der „Hype“ um ÖPP-Projekte inzwischen verflogen ist.

    Für mich war ein letzter Konfliktfall dieser Art das Vorhaben, ein größeres Sanierungsvorhaben für Brücken und Straßen als ÖPP auszuschreiben. Unsere detaillierten Einwände wurden überstimmt, das Vorhaben wurde aber in der Folgezeit nach meiner Amtszeit nicht weiterverfolgt. War das späte Einsicht?

    Kommunale Zusammenarbeit, eine Herzenssache

    Der Erfahrungs- und Meinungsaustausch mit Kolleginnen (ja, die gab es zu dieser Zeit auch schon in Leitungsfunktionen) und Kollegen anderer Rechnungsprüfungsämter hatte schon für meinen Vorgänger hohe Priorität. Ich sah das genauso und brachte mich – und damit die Expertise des Amtes – intensiv in die interkommunale Zusammenarbeit ein. Gerade vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Anforderungen aus der kommunalen Einführung der Doppik war die Zusammenarbeit im Rahmen der Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement enorm fruchtbar und führte zur Erarbeitung und Publikation diverser, bundesweit verwendbarer Leitfäden.

    Auf Ebene des Hessischen und Deutschen Städtetages zeigte das Frankfurter Amt in den entsprechenden Arbeitsgemeinschaften der Prüfungsämter weiterhin Präsenz und Arbeitseinsatz. Ich habe früh meine Bereitschaft erklärt, den Vorsitz im Arbeitskreis auf der Ebene des Deutschen Städtetages zu übernehmen und habe diese Aufgabe über meine gesamte Amtszeit gerne wahrgenommen und hoffentlich Impulse für die Formulierung gemeinsamer Positionen setzen können. Wichtig war mir vor dem Hintergrund der neuen Prüfungsanforderungen in den Bundesländern, den Kreis der Teilnehmer über die Großstädte hinaus auch auf die Hauptstädte der Bundesländer auszudehnen, die nicht dieser Größenordnung entsprachen. So wurden etwa auch die Kollegen aus Kiel und Potsdam Mitglieder der AG. Dies erwies sich als Bereicherung für die gemeinsamen Erörterungen und Empfehlungen sowie für den informellen Austausch unter den Teilnehmern einschließlich der Vertreterin der Geschäftsstelle des Deutschen Städtetages.

    Nachbemerkung

    Ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu danken, die mich über den Zeitraum meiner Amtszeit zeitweise oder sogar durchgehend begleitet und unterstützt haben. Von der Nennung einzelner Namen möchte ich absehen, um Ungerechtigkeiten zu vermeiden.

    Mein Einstand im Amt war etwas dramatisch, als ich beim ersten Betriebsausflug frech mit einer Jolle auf dem Main gesegelt bin, eine Wende ohne Gewichtsverlagerung vollzog und mein erstes und letztes Bad im Main genommen habe. Es stimmte mich allerdings hoffnungsfroh für die künftige Zusammenarbeit, dass ich von meinen Kolleginnen und Kollegen ohne Zögern in das Rettungsboot gezogen und an Land gebracht wurde, anstatt mich wegtreiben zu lassen. An den Abschied im inzwischen der Baugeschichte angehörigen Innenhof am Mainkai denke ich heute noch uneingeschränkt gerne und etwas wehmütig, weil er für mich von großer Herzlichkeit geprägt war. Ich sagte mir: Da musst Du doch ein paar Dinge in der Sache und im Stil richtig gemacht haben. (Platz für Widerspruch ist hier nicht.)

    Ich wünsche dem Revisionsamt und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass die Beratungs- und Prüfungsleistungen bei den Organen der Stadt Frankfurt am Main und darüber hinaus weiterhin Anerkennung und Unterstützung finden!